Es ist das am höchsten geförderte Infrastrukturprojekt Europas: Der Brennerbasistunnel wird den Alpentransit ab 2032 entlasten. SWIETELSKY hat den Zuschlag für die Arbeiten am geologisch komplexen Baulos Hochstegen erhalten.
Die häufigste Reiseroute von Deutschland nach Italien führt durch Österreich, genauer gesagt über den Brenner. Doch wie jeder Autoreisende wohl schon bemerkt hat, ist die Strecke auch ein Nadelöhr des internationalen Güterverkehrs. Nicht mehr lange: In erster Linie soll der neu gebaute Brenner Basistunnel (BBT) dem Transport von Gütern dienen, indem er die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene ermöglicht. Doch auch Personenzüge können durch den Tunnel fahren. Mit der nahezu horizontal verlaufenden Tunnelstrecke entfallen künftig Steigung und Gefälle der bestehenden, über 150 Jahre alten Brennerbahn. Sie gilt als eine der wichtigsten Eisenbahnstrecken zwischen Deutschland und Italien und verbindet München und Verona auf dem kürzesten Weg. Die Brennerstrecke beginnt in Innsbruck, führt über Matrei und Steinach hoch zum Brenner, wo sie ihren Scheitelpunkt auf 1371 Höhenmetern erreicht. Anschließend fällt sie über Franzensfeste und Brixen nach Bozen ab.
Bedeutung für die EU
Im Dezember 2009 begannen die Tunnelbauarbeiten für den Brenner Basistunnel. Er ist das Herzstück des sogenannten europäischen Skandinavisch-Mediterranen Korridors, der Helsinki im Norden mit Palermo im Süden verbindet. Es wird von einem „Leuchtturm“ gesprochen, der dafür sorgen wird, dass die europäischen Staaten näher zusammenrücken und deren Märkte stärker und effizienter funktionieren. Mit dem Brenner Basistunnel erhält die europäische Gemeinschaft ein einheitliches System im Zugverkehr und schafft wertvolle Arbeitsplätze. Mehr als zehn Milliarden Euro geben Österreich, Italien und die EU aus, um den Alpentransit über den Brenner ab 2032 zu entlasten.
Verlagerung des Personen- und Güterverkehrs
Der BBT schafft zusätzliche Kapazitäten für den Personen- und Güterverkehr, sodass im Endausbau rund vierhundert Züge pro Tag den Alpenkamm passieren können. Fast geradlinig verläuft der Brenner Basistunnel zwischen Innsbruck und der Südtiroler Gemeinde Franzensfeste. Die Steigung beziehungsweise das Gefälle ist mit 6,7 Promille deutlich geringer als die bisherigen 27 Promille. Damit verkürzt der Tunnel die Bahnstrecke von derzeit 75 auf nur noch 55 Kilometer und die Fahrzeit für Personenzüge von bislang gut achtzig auf 25 Minuten. Damit ist die Grundvoraussetzung für eine wesentliche Verlagerung des Gütervolumens von der Straße auf die Schiene geschaffen. Inklusive der Umfahrung von Innsbruck Richtung Kufstein wird der Brenner Basistunnel 64 Kilometer lang sein – und somit die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt.
Baulos H52 Hochstegen
Das ursprüngliche Baulos „Pfons-Brenner“ wurde in zwei Lose geteilt und neu vergeben. Der erste Teil des großen Bauloses des Tunnels von Steinach bis zur italienischen Grenze ging an SWIETELSKY. Es handelt sich um das geologisch komplexe Baulos „H52 Hochstegen“. Die Ausschreibung für das Baulos „Pfons-Brenner“ ist noch nicht abgeschlossen. Für die beiden BBT-SE-Vorstände, Martin Gradnitzer und Gilberto Cardola, können durch die Aufteilung „die Tunnelarbeiten des Gesamtprojektes rasch und effizient“ fortgeführt werden. Nach den Baulosen Wolf I und Wolf II (Bauzeit 2011 bis 2017) handelt es sich für SWIETELSKY bereits um das dritte Engagement beim Projekt Brenner Basistunnel. Das Kernstück dieses Bauloses ist der Vortrieb des Erkundungsstollens in Richtung Süden durch die sogenannte Hochstegenzone. Dieser wird zuerst abschnittsweise vor dem Bau der Hauptröhren errichtet, um hauptsächlich das Gebirge zu erkunden. Die Ergebnisse dieser Erkundungen werden für den Bau der Haupttunnels genützt. Dadurch können das Baurisiko vermindert und sowohl Baukosten als auch Bauzeiten optimiert werden. Das Team von SWIETELSKY-Tunnelbau wird insgesamt fünf Kilometer des Tunnels mit Sprengungen vorantreiben. „Der Abschnitt ist herausfordernd, da sich verschiedene Gesteinsschichten abwechseln. Wir erwarten Bereiche mit Wasserandrang und müssen daher Sorge tragen, dass möglichst wenig Bergwasser in den Tunnel eindringt“, meint BBT-SE-Vorstand Martin Gradnitzer. Die Arbeiten dauern rund zwei Jahre. Das Auftragsvolumen für SWIETELSKY beträgt rund 102 Millionen Euro. Insgesamt sind bereits zwei Drittel, also rund 151 von 230 Kilometern des BBT-Tunnelsystems ausgebrochen.
Historie der Brennerbahn
Im Jahr 1814 wurde die von James Watt erfundene Dampfmaschine das erste Mal in einer Lokomotive verwendet. Bereits zwanzig Jahre später war die Idee einer Eisenbahntrasse über den Brennerpass geboren. Nach einer langwierigen Planung begann der Bau im Februar 1864. Am 25.07.1867 wurde die Strecke Innsbruck–Bozen mit einer Jungfernfahrt eingeweiht und einen Monat später offiziell übergeben. Sie war somit die zweite alpenquerende Bahn nach der Semmeringbahn. Die Idee, einen Scheiteltunnel unter dem Brennerpass zu errichten, hatte der italienische Ingenieur Giovanni Qualizza bereits im Jahr 1847. Bis zum Bau eines Basistunnels sollten jedoch 160 Jahre vergehen: Im Jahr 1971 keimte der Gedanke an einen Brennertunnel erneut auf. Der Internationale Eisenbahnverband gab erstmals eine Studie zur Neuen Brennerbahn mit einem Basistunnel in Auftrag. Bis 1989 wurden drei Machbarkeitsstudien ausgearbeitet, die die Grundlage für die weitere Planung des Brenner Basistunnels darstellten. Damit war der Startschuss für die Planungstätigkeiten gefallen. Die EU nahm den Korridor Berlin−Neapel 1994 als prioritäres Vorhaben in die Liste vorrangiger Projekte auf. Zehn Jahre später unterzeichneten Österreich und Italien den Staatsvertrag zum Bau des Brenner Basistunnels. Noch im selben Jahr entstand die heutige BBT SE. Die Bauarbeiten am Erkundungsstollen begannen 2008.