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Heiliger Gral aus Aluminium

19.10.2020, Lesezeit 4 Minuten
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Die stetige Weiterentwicklung von Be- und Verarbeitungsmethoden, aber auch neue Architekturtrends bringen aufsehenerregende Fassaden aus Metall hervor. Eine der mutigsten – wie könnte es anders sein – gibt der neuen Motohall von KTM ihr unverwechselbares Gesicht.

Es gibt leichtere Aufgaben, als zum ewigen Gedächtnis von KTM einen würdigen Tempel zu errichten, der von den Anfängen als schlichte Schlosserei über den Weg zu einem der größten Motorradhersteller der Welt bis zu den jüngsten Siegen in der Königsklasse MotoGP reicht. Dem Architektenteam Hofbauer, Liebmann und Wimmesberger aus Wels sowie den X ARCHITEKTEN aus Linz ist das Meisterstück gelungen: „Die Aura der Motorradmarke KTM hat nichts Statisches an sich. Das verdeutlicht auch der Slogan ‚Ready to Race‘. Bei der 2019 eröffneten KTM Motohall am Stammsitz Mattighofen ist das konsequenterweise nicht anders. Alles an dem Bauwerk assoziiert und evoziert Bewegung. Es ist ein 9600 m² großes, räumliches Universum mit einem stufenlosen Parcours über drei Ebenen mit einer lebenden Werkstatt, der RC16 Arena für Veranstaltungen, dem Restaurant „Garage“ sowie einem KTM Motohall Shop und Umlaufbahnen; ein zeichenhafter, von Metallbändern umkurvter Neubau, der die rechten Winkel der Umgebung weit hinter sich lässt. Damit beschwört die KTM Motohall außen wie innen die Dynamik der Marke. Form follows Slogan, vereint dochdas Bauwerk die Geschwungenheit der Rennstrecke, die Beschaffenheit des Offroadgeländes und die darauf verkehrenden Bikes von KTM auf organische Art“, schreibt der Journalist und Texter Andreas Kump auf der Webseite des Linzer Architektenhauses.

Hier stellt „Kronreif & Trunkenpolz Mattighofen“ – so lautet bis heute der volle Name des heutigen Global Players – seine Vergangenheit und seine Zukunft zur Schau, voller Selbstbewusstsein und ohne jede Scheu, der oberösterreichischen Kleinstadt einen futuristischen Hot Spot zu schenken. Stahl- und Sichtbeton bilden die tragenden Strukturen der 84 x 37 Meter großen Ellipse, die von drei Bändern aus eloxierten Aluminiumplatten mit gelaserter, eingefräster Struktur umwickelt ist. Kump: „Eines davon begehbar, muten sie wie gewagt angelegte Umlaufbahnen des KTM-Universums an. Spuren sind darauf zu erkennen. Perforierte Lochmuster als Sinnbild von Reifenabdrücken. Als hätte ein KTM-Werksfahrer das Unmögliche geschafft und die KTM Motohall unter Überwindung der Schwerkraft umkurvt. Bei Schönwetter, wenn die teils aufgeklappten Perforierungen nach Sonnenstand changieren, kommt zusätzlich Bewegung in die Fassade.“

Als „neue Pilgerstätte“ bezeichnete das MOTORRAD-MAGAZIN das Gebäude, KTM-Chef Stefan Pierer sprach bei der Eröffnung sogar vom „Heiligen Gral von KTM“. Vom Eingang führt eine Steilkurve mit siebzig Straßen- und Geländemotorrädern von KTM auf drei um jeweils wenige Grad geneigte Ebenen. Für das Ausstellungskonzept zeichnen die Szenografieexperten „Atelier Brückner“ aus Stuttgart verantwortlich, die schon das BMW Museum in München gestaltet haben. Der Besucher kommt ohne Stiegen oder Lifte überall hin, denn Barrierefreiheit ist KTM ein wichtiges Thema: Hier haben viele Mitarbeiter eine Aufgabe gefunden, die aufgrund von Motorradunfällen eingeschränkt sind.

Das Linzer Unternehmen Metallbau Wastler lieferte neben der spektakulären Außenfassade die neun mehrgeschossigen Freiformraumelemente für die Gliederung und akustische Gestaltung des Innenraums. Darüber hinaus lieferte das SWIETELSKY-Tochterunternehmen zahlreiche Stahlbaukomponenten für die technische Ausstattung sowie Türen und Tore, anspruchsvolle Edelstahl- und gebogene Nurglasgeländer. Von den 8000 m² Aluminiumfassaden, die von bis zu acht Montageteams gleichzeitig in zwölfmonatiger Bauzeit hergestellt und montiert wurden, musste jedes Blechelement individuell konstruiert und angefertigt werden. Für den 3D-Effekt mussten 50 000 bewegliche Teile in den Fassadenelementen auf der Baustelle in Handarbeit nach Architekturvorgaben ausgerichtet werden. Aufgrund der extrem anspruchsvollen Geometrie wurde das gesamte Leistungsvolumen gleichzeitig von mehreren Planungsteams der Firma vollständig in 3D durchgeplant.

KTM-Manager Stefan Pierer (63) übernahm das Unternehmen nach der Pleite 1991. Damals fertigte KTM mit 150 Mitarbeitern ca. 5000 Motorräder im Jahr. Im Geschäftsjahr 2019 wurden 281 999 Motorräder verkauft; inzwischen sind im Konzern 4369 Mitarbeiter beschäftigt. Die Marken Husqvarna (2013) und GASGAS (2019 und mittlerweile zu 100 Prozent) wurden zugekauft. KTM hat in seiner Firmengeschichte bis 2019 insgesamt 307 WM-Titel gewonnen.

STECKBRIEF:

Standort: KTM-Platz 1, Mattighofen, OÖ

Auftraggeber: KTM Motohall GmbH

Planungsbeginn: Frühjahr 2014

Baustart: März 2016

Eröffnung: Mai 2019

Nutzfläche Ausstellungsbereich: 2700 m2

Gesamtnutzfläche: 8300 m2

Bauweise: STB-Konstruktion

Kosten: 35 Mio. Euro