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So bringen wir olympischen Teamgeist auf Schiene

01.06.2024, Lesezeit 6 Minuten
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Die 85 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Kassel und Fulda ist ein wichtiges Stück Infrastruktur-Zukunft für die Deutsche Bahn. Wir Swietelskys haben sie als Einzelunternehmen und im europäischen Drei-Länder-Team in nur neun Monaten komplett saniert – als rekordverdächtige Mammutaufgabe.

Bahnbau kann manchmal ein echter Extremsport für Adrenalinsüchtige sein“, lacht Gertjan van Niftrik. „Denn bei vielen anderen Bauvorhaben kann man das Timing eventuell ohne allzu kritische Folgen verschieben, wenn die Umstände es zwingend verlangen. Doch beim Bahnbau kennen wir alle im Team exakt den Tag, an dem die Strecke wieder freigegeben werden und der Zug wieder für Millionen Fahrgäste fahren muss – und das ohne Wenn und Aber.“

Deshalb, so erklärt der junge und sympathisch lockere SWIETELSKY-Weichenbauexperte aus den Niederlanden, arbeitet man sich entlang der Strecke mit ähnlich achtsamer Vorausschau und Exaktheit, aber auch mit ähnlicher Zügigkeit und Schnelligkeit voran wie ein Freeclimber, ohne Seil und ohne Umkehrmöglichkeit: „Jeder einzelne Schritt unserer Arbeit, jeder Handgriff und jeder Logistikablauf muss exakt sitzen, wenn man das Ziel erreichen will. Und das nicht nur bei einer Person, sondern bei Hunderten von Personen zugleich – im multinationalen Teamwork von drei SWIETELSKY-Ländern.“

Wenn es um nervenaufreibende Gleisbauthemen geht, so weiß Gertjan genau, wovon er spricht. Denn er hat schon während seiner Studienzeit als Gleisarbeiter gejobbt, ehe er vor neun Jahren bei Swietelsky Rail Benelux in Oisterwijk einstieg, wo er heute als internationaler Operations Manager tätig ist. Und außerdem hat er auch privat in jüngeren Jahren gerne den sportlichen Nervenkitzel gesucht – unter anderem beim Motorradfahren auf der Sandbahn.

Unterwegs im Rekordtempo: Mit dem Gleisbau-Giganten der Zukunft

Das rekordverdächtig kurze Bautempo von nur neun Monaten, das wir Swietelskys bei der Komplettsanierung der 85 Kilometer langen deutschen Bahnstrecke zwischen Kassel und Fulda vorgelegt haben, ist freilich keinem flotten Zweirad zu verdanken, sondern einem ganz anderen Gefährt. Denn diese Mammutaufgabe auf dem besonders wichtigen Schlüsselteil der Nord-Süd-Hochgeschwindigkeitsstrecke der Deutschen Bahn zwischen Hannover und Würzburg konnten wir einerseits nur mit der gebündelten SWIETELSKY-Bahnbau-Expertise aus mehreren Nationen mit ihren verschiedenen Stärken meistern: mit Gleisbau-Experten aus Deutschland, mit Weichen-Profis aus den Niederlanden und mit unseren absoluten Top-Maschinisten aus Österreich.

Und andererseits konnten wir dabei auf ein gigantisches State-of-the-Art-Gleisbaugerät vertrauen, das einzigartig und derzeit nur im SWIETELSKY-Maschinenpark zu finden ist: die in ihren Dimensionen und in ihrer Leistung wahrhaft atemberaubende RUS 1000 S, ein Gleisbau-Gigant der modernsten Generation, der völlig neue Maßstäbe setzt. Denn die RUS 1000 S kann während nur einer Gleissperre schnell und zeitsparend mehrere komplexe Arbeitsprozesse zugleich erledigen und tauscht dabei Schwellen, Kleineisen und Schienen aus, während sie gleichzeitig das Schotterbett reinigt. Mit dieser konkurrenzlosen Effizienz und Wirtschaftlichkeit im mechanisierten Gleisbau kann sie quasi Gleise vom fahrenden Fließband liefern – mit einer Geschwindigkeit von zehn Schwellen pro Minute.

Die entscheidende Retterin des Zeitplans – die RUS 1000 S

„Eine der größten Herausforderungen bei diesem Projekt war, dass der ohnehin knapp bemessene Umbauzeitraum seitens unserer Auftraggeberin plötzlich noch knapper gestaltet wurde. Denn die Deutsche Bahn musste umständehalber den Zeitrahmen noch um weitere 18 Tage verkürzen, wodurch sämtliche Zeitpuffer aufgebraucht wurden“, erzählt Jörg Dieng zum äußerst spannenden Wettrennen mit der Zeit, zu dem sich die Streckensanierung zwischen Kassel und Fulda entwickelte.

Jörg ist schon seit 2006 bei SWIETELSKY mit dabei, „und das Thema Bahnbau hat mich gleich von Anfang an begleitet und bis heute nicht losgelassen“, wie er heute nach einer bald zwanzigjährigen Karriere bei SWIETELSKY lacht. In der Münchener Niederlassung von SWIETELSKY ist Jörg im Team gemeinsam mit zwei Kollegen für die Kalkulations- Bauzeitenplanung zuständig und hatte damit den Finger direkt am Timing-Pulsschlag des Großprojekts: „Zu einer gewissen Nervenprobe wurde die Situation schließlich, als es bei der deutschen Bahnbaugruppe zusätzlich zum drängenden Zeitplan auch noch Schwierigkeiten mit dem Baugerät gab. Zur entscheidenden Retterin in der Not wurde dann allerdings unsere RUS 1000 S, die ursprünglich zwar noch keine Zulassung für die vielen Tunnels auf der Strecke hatte. Aber aufgrund des hohen Zeitdrucks wurde hier schnell eine Lösung gefunden, und die RUS 1000 S erwies sich in weiterer Folge umso mehr als überzeugende Trumpfkarte bei der Zeitersparnis, insbesondere auch auf den Tunnelabschnitten.“

Apropos Tunnels: „Auf der Strecke von Kassel nach Fulda gibt es gleich siebzehn davon, der längste mit circa 7,5 Kilometern“, betont Jörg Dieng eine weitere große Herausforderung des Projekts. „Mit konventionellen Mitteln und Maschinen wäre der Zeitplan hier unmöglich einzuhalten gewesen. Hätten wir die RUS 1000 S nicht einsetzen können, hätte die Streckensanierung geschätzt um zumindest einen Monat länger gedauert, möglicherweise wären auch noch mehrere Wochen mehr dafür nötig gewesen.“ Doch dank der flotten Baugeschwindigkeit und des punktgenau eingehaltenen Zeitplans kann der ICE nun auf der optimal sanierten Gesamtstrecke zwischen Hannover und Würzburg mit bis zu 280 Kilometern pro Stunde unterwegs sein. Die 85 Kilometer zwischen Kassel und Fulda legt er nun in circa 28 Minuten zurück statt wie bisher in mehr als einer Stunde. Insbesondere die Fahrgäste, die im regelmäßigen Takt mit der Bahn pendeln, wissen, was das an entscheidendem Komfort- und Zeitgewinn bei dieser nachhaltigsten Form der öffentlichen Mobilität bedeutet.

Das Herzschlag-Finish: Spannend auch für Fast-Olympiasportlerinnen

Als besonders sportlichen Wettlauf empfand auch Claudia Graber die Bauarbeiten, wenn sie heute mit einigen Monaten Abstand an die letzten Tage vor der Fertigstellung der Strecke Kassel-Fulda im vergangenen Dezember zurückdenkt. „Natürlich haben wir es absolut pünktlich geschafft, da es ja gar keine andere Option gab“, erinnert sich die Oberbauleiterin bei SWIETELSKY, die für die Gesamtkoordination des Projekts verantwortlich zeichnete. „Trotzdem hat der 9. Dezember 2023 für uns alle ein absolutes, olympiareifes Herzschlag-Finish bedeutet.“

Als begeisterte Starboot-Seglerin, die ihr Trainingsboot auch gerne mal auf dem Trailer bis zur Baustelle mitnimmt, ist das Wort Olympiareife für sie keineswegs ein Fremdwort – schließlich hat sie es in ihrer Jugend beinahe selbst bis in die österreichische Segel-Olympiamannschaft geschafft. Doch ein Projekt wie die Streckensanierung Kassel– Fulda war auch für sie eine Herausforderung der besonderen Art:

„Man darf nicht vergessen, dass man eine Strecke von 85 Kilometern Länge nicht einfach in einem Rutsch fertigstellt, sondern in mehreren Einzelabschnitten und Zwischenterminen, die schon vergangenen Sommer begonnen haben. Und jeder einzelne dieser Zwischentermine ist bereits eine Riesenherausforderung und ein besonderer Meilenstein, was die Koordination zwischen Logistik, Weichenbau, den Maschineneinsätzen und vielen Bereichen mehr bedeutet. Das hat sich mit diversen Qualitäts-Zwischenstopps und Testfahrten bei verschiedenen Geschwindigkeiten bis zum finalen Termin am 9. Dezember naturgemäß noch weiter zugespitzt. Zusätzlich hat dann auch noch der Wintereinbruch mit plötzlichem Schneefall an unseren Nerven gezerrt. Trotzdem sind wir im Rahmen eines immensen Kraftakts, bei dem auch das allerletzte störende Kieselsteinchen sauber von den Gleisen entfernt wurde, pünktlich in der Nacht des 9. Dezember in Betrieb gegangen: Um 00:30 Uhr morgens ist der erste Güterzug über die Gleise gerollt, ich habe zunächst mal dreizehn Stunden durchgeschlafen und dann aufgeregt am Folgetag ständig den Fahrplan gecheckt, ob auch alle Züge pünktlich und problemlos unterwegs sind.“

Ob man nach so einer turbulenten Nacht noch Zeit für ein Baustellenbier im Team findet? „Selbstverständlich“, lacht Claudia Graber, „und zur Feier des Tages haben wir auch gleich neben den Gleisen den Griller angeworfen. Aber was man da tatsächlich gemeinsam vollbracht hat und was so ein riesiges Bahnbauprojekt auch gesellschaftlich und politisch für eine Region und ein ganzes Land bedeutet, das begreift man erst einige Tage später, wenn der Stress von einem abgefallen ist. Aber dann ist man umso stolzer darauf.“

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